Ein kerzenerleuchteter Raum, Menschen nah beieinander am Boden, verbunden durch Gesang wie Gehör. Als Roger Schutz 1940 im kleinen Dorf Taizé im französischen Burgund eine christliche Gemeinschaft gründet, beginnt er klein: Es gibt weder ein Klostergebäude noch Gesänge. Wird anfangs noch traditionelles Kirchenliedgut gesungen, so entstehen die unverwechselbaren Gesänge von Taizé, als Jacques Berthier, Joseph Gelineau und einige Brüder nach und nach beginnen, Kanons und Wiederholungsgesänge für vier Singstimmen zu komponieren. Die einfache Lebensführung der Gemeinschaft spiegelt sich in ihren Liedern und Gesängen wider. Die wenigen Takte der Lieder bilden einen Kreis, der sich schließt: Melodien werden wiederholt, beginnen zu fließen und faszinieren musikalisch Ungeübte wie Geübte mit der Tiefe ihrer schlichten Schönheit. Wiederholung ist Teil des Phänomens, denn sie beflügelt das Einswerden mit Melodie und Text. Neben dem Gesang ist das Wort Gottes wesentlicher Bestandteil des Abendgebets. Zunächst wird ein Psalm gesprochen oder gesungen, danach folgt die Lesung aus der Schrift. Die Zeit der Stille ermöglicht dem Betenden, das Gehörte in sich nachklingen zu lassen. Jeder, der still in Gottes Gegenwart verweilt, gilt als Betender, um Gottes Geist zu empfangen. Die folgenden Fürbitten und Lobpreisungen weiten das Gebet auf die ganze Menschheitsfamilie aus: Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen, besonders der Armen und Bedrängten, werden Gott anvertraut. Den Abschluss bildet das gemeinsam gesprochene Vaterunser.
Gebet und persönliche Begegnung
Nicht allein das persönliche Gebet ist wichtig, sondern auch die Begegnung. Daher gibt es nach jedem Gebet die Möglichkeit zu Gesprächen bei Tee und Keksen. Die Abendgebete mit Liedern aus Taizé haben seit 2003 Tradition an der Stephanuskirche. Sie finden jeden zweiten Sonntag im Monat, in der Advents- und Passionszeit an jedem Sonntag in der Stephanuskirche statt. Zweimal im Jahr wird ein besonderer Gottesdienst mit Liedern aus Taizé gefeiert, für den sich ein Projektchor und ein Instrumentalensemble zusammenfinden.
Guido Kugelmann