Was hat es eigentlich mit diesem kleinen Schild auf sich, das neben Eingängen von evangelischen Kirche zu finden ist?
Bestimmt ist es Ihnen auch schon einmal aufgefallen: Neben der Tür an der Stephanuskirche hängt ein Schild, auf dem steht: »Unsere Kirche ist offen. Treten Sie ein!«. Das Schild findet den Ursprung in einer Initiative der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Offene Kirchen sollen ermöglichen, dass Menschen auch unter der Woche, unabhängig von Gottesdiensten, in die Kirche gehen können – zum Beten, für eine kurze Pause in Stille, um eine Kerze anzuzünden oder als Rückzugsort vor dem Chaos des Alltags. 800 Kirchen nehmen derzeit in Bayern an der Initiative teil und halten ihre Türen offen.
Lange Zeit waren offene Kirchenräume für evangelische Kirchen aus theologischen Gründen kein so großes Thema. Katholische Christ*innen sehen in Kirchenräumen heilige Stätten, Orte, deren Bedeutung für die religiöse Praxis entscheidend ist. Die evangelische Tradition geht anders mit der Heiligkeit um. Es lohnt ein kurzer Blick auf das Wort »heilig« und darauf, welche Bedeutung diesem Wort in der evangelischen Theologie überhaupt zukommt.
Gott ist heilig und Jesus Christus hat durch ihn Heiligkeit in unsere Welt gebracht, uns, salopp gesagt, teilhaben lassen an Gottes Heiligkeit. Durch diese Überwindung der Distanz zwischen Gott und den Menschen, sind aus Sicht der evangelischen Theologie nun alle heilig, die an Christus glauben. Deshalb ist im apostolischen Glaubensbekenntnis auch die Rede von der »Gemeinschaft der Heiligen«. Besondere Orte, Gegenstände oder Personen, die »heiliger« sind als die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft, gibt es im evangelischen Glauben nicht.
Auch die Kirche ist nicht als heilige Stätte an sich zu verstehen. Die Menschen, die in ihr zusammenkommen, beten, glauben oder Gottesdienst feiern, machen Kirchenräume erst zu Orten voll Heiligkeit. Im Umkehrschluss ist es für evangelische Christ*innen nicht für ihren Glauben, sich in einer Kirche befinden. Die entsprechende Stelle in der Bibel haben Sie sicher auch schon einmal gehört. In Matthäus
28,20 sagt Jesus: »Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.«. Gottesdienst feiern, beten, Gott nah sein, können wir als Protestant*innen also sowohl in der Kirche, als auch unter freiem Himmel oder in unseren eigenen vier Wänden.
Warum haben Kirchenräume trotzdem so eine große Wirkung auf uns? Und wie beeinflusst uns eine offene Kirchentür? Ein theologischer Blick auf die Architektur von Kirchenräumen verrät mehr. Denn
dass wir durch eine schwere Tür und über eine Schwelle in die treten, ist kein Zufall. Die Schwelle symbolisiert eine Grenze zwischen innen und außen. Ist diese Schwelle überwunden, fällt sofort der starke Kontrast zwischen den beiden Welten auf, die hier aufeinanderprallen. In der Kirche ist es still, friedlich. Ganz anders als draußen, wo Straßenlärm und Hektik auf einen warten.
Die Tür macht diese Grenze greifbar und sichtbar. Sie zeigt uns, wer eingeladen ist, sich auf eine Zeit der Ruhe im Innern der Kirche einzulassen und wer außen vor bleibt. Umso schöner also, dass mit einem kleinen Schild neben der Kirchentüre allen Menschen angeboten wird, einzutreten, um sich kurz aus dem Alltag zurückzuziehen
Text: Celine Edinger
Fotos: Thomas Hauzenberger, Archiv